Geschichte

Sportkultur durchdringt das Toggenburg

Lange gab es im Kanton St. Gallen mit der Kantonsschule Burggraben nur in der Hauptstadt ein Gymnasium. Da viele St. Galler Jugendliche ausserkantonale Bildungsstätten besuchten, beschloss der Kanton St. Gallen in den 1960er Jahren die Dezentralisierung der Mittelschulbildung. Nach Sargans im Jahre 1963 wurde am 20. April 1970 die Kanti Wattwil als zweite Landmittelschule des Kantons eröffnet.
Neben der Stoffvermittlung hat die Kanti Wattwil seit ihrer Gründung die Aufgabe als Kulturvermittlerin übernommen und ist im ländlichen Raum auf fruchtbaren Boden gestossen. Neben Musik und Theater hatte auch der Sport von Anfang an eine wichtige Bedeutung. Hans Ruedi Nüesch, Sportlehrer an der Kanti Wattwil, übernahm die Aufgabe, einen freiwilligen Schulsport aufzubauen. In den ersten Kursen wurden Handball, Volleyball, Basketball aber auch Kunstturnen angeboten. Schon bald entwickelte sich bei den Sportlerinnen und Sportlern das Bedürfnis, sich mit anderen Teams zu messen und an regionalen und nationalen Meisterschaftsspielen teilzunehmen. Um dies zu ermöglichen, wurde 1972 der Kantonsschul-Sport-Verein (KSV) Wattwil gegründet. Der Vorstand konstituierte sich aus Lehrpersonen der Kanti Wattwil. Mitbegründer und erster Präsident wurde Wirtschaftslehrer Peter Ledergerber.
Da die Kantihalle für das Handballspiel viel zu klein war und die neueren Spielsportarten Volleyball und Basketball in den 1970er Jahren immer mehr aufkamen, setzten sich schliesslich die Abteilungen Volleyball für Damen und Basketball für Herren im Schulsportverein durch.

Mit unermüdlicher Aufbauarbeit bis zum Schweizermeistertitel im Volleyball

Die Leitung der Volleyballabteilung wurde bei der Gründung des KSV Wattwil 1972 von Hans Ruedi Nüesch übernommen. Von Anfang an war auch Hildi Müller dabei, zuerst als Spielerin, später als erfolgreiche Trainerin und Coach diverser Juniorinnenteams. Da es in den 1970er Jahren in der Meisterschaft noch gar keine Juniorinnenkategorien gab, mussten die jungen KSV Spielerinnen vielfach gegen Teams mit älteren Spielerinnen antreten. Dank der hervorragenden Ausbildungsarbeit von Hans Ruedi und Hildi gingen die Kanti Girls trotz mangelnder Erfahrung und körperlicher Unterlegenheit häufig als Siegerinnen vom Platz. Die gute Nachwuchsarbeit zahlte sich aus und die KSV Juniorinnen eroberten schon bald regionale und nationale Titel. Insgesamt erreichte der KSV Wattwil Volleyball bis heute 17 Schweizermeistertitel bei den Juniorinnen!
Auch bei den Aktiven blieben die Erfolge nicht aus. Schon bald spielte das Fanionteam vorwiegend mit eigenen Juniorinnen in der NLB. Mit Hilfe vieler lokaler Sponsoren gelang es ein stattliches Budget von 30’000 Franken aufzubauen. Auch personell war die Abteilung Volleyball auf Hilfe angewiesen. Einerseits mussten die Spielerinnen von Anfang an Aufgaben im Verein übernehmen und wurden als Schreiberinnen und Schiedsrichterinnen ausgebildet und eingesetzt. Andererseits wäre der steigende Aufwand im Verein ohne die Hilfe von vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern nicht zu stemmen gewesen. Zwei sollen hier besonders gewürdigt werden: Rolf Freitag engagierte sich jahrelang als Speaker, Berichterstatter und Vorstandsmitglied und Thuri Dürr amtete gar 35 Jahre als Schiedsrichter für den KSV.

1988 gelang es Hans Ruedi Nüesch, Mäsi Erni als Assistenztrainer für den KSV Volleyball zu gewinnen. Der «volleyballverückte» Mäsi übernahm 1990 das NLB Team und Hans Ruedi Nüesch konnte sich vermehrt auf die Nachwuchsarbeit konzentrieren. Mit seiner enormen Begeisterungsfähigkeit gelang es Mäsi immer wieder, talentierte Mädchen für den Volleyballsport zu motivieren. So trainierte er mit einer Gruppe von Kantischülerinnen, den «Crazy Girls», bis zu acht Mal in der Woche. Der Trainingsaufwand und die legendären Trainingslager in Holland sollten sich auszahlen.

Vorwiegend mit eigenen Spielerinnen konnte der KSV Wattwil 1994 sensationell den Aufstieg in die NLA feiern. Kurz darauf trat Hans Ruedi Nüesch eine Stelle als Schweizer Militärbeobachter bei den UNO Blauhelmtruppen an. Als sein Stellvertreter wurde René Langenegger als Sportlehrer an die Kanti Wattwil gewählt und widmete sich ersten Aufgaben im Juniorinnenbereich. Mäsi Erni übernahm neben dem Job als NLB Trainer auch noch die Leitung der Abteilung. Als Assistenzcoach des Schweizer Damen Volleyball Nationalteams lernte er den chinesischen Trainer Liu Chuanlun kennen. Zusammen mit Liu gelang es Mäsi 1995 die Chinesische Top Zuspielerin Xia Hua Zhang für den KSV zu engagieren. Als sich die Integration von Xia Hua aufgrund der Sprache als schwierig erwies, lernte Mäsi schnell in nur zwei Monaten Chinesisch und leistete so einen wichtigen Beitrag zur schnellen Integration von Xiao Hua!

1996 konnte der ehemalige KSV Basketballer Ernst Weber als Abteilungsleiter Volleyball gewonnen werden und mit Li Hua wurde eine weitere chinesische Spielerin verpflichtet. Unter Trainer Mäsi Erni und Assistenzcoach Felix Kuch wirbelte das Duo Xiao Hua und Li Hua die gegnerischen Teams gehörig durcheinander und der KSV erreichte in der Saison 1997 den dritten Rang in der NLA und damit einen Europacupplatz. Nach diesem Erfolg trat Mäsi Erni 1998 bei Swiss Volleyball den Job als Ausbildungsverantwortlicher an. Damit musste der KSV Wattwil einen neuen Trainer für das NLA Team suchen. Mit Patrick Egger konnte eine ausgewiesene Persönlichkeit im Schweizer Volleyball verpflichtet werden. Im Europacup musste der KSV gegen europäische Spitzenclubs aus Weissrussland, der Ukraine, Rumänien, Finnland, Frankreich und der Türkei antreten. Gestählt durch die Spielpraxis und die gemeinsamen Erlebnisse im Europacup gelang es dem KSV Wattwil in der Saison 1998/99 als Provinzclub, sensationell den Schweizermeistertitel in der NLA zu gewinnen.

Nach finanziellen Schwierigkeiten und diversen Trainerwechseln stieg der KSV Wattwil 2001 in die NLB ab. Zum Glück konnte in dieser Zeit Anton Stadelmann als Abteilungsleiter gewonnen werden. Als Marketingleiter der Firma Kägi in Lichtensteig hatte er wichtige Kontakte in die Wirtschaft. Dank seinem unermüdlichen Engagement im Sponsoring gelang es, den KSV Wattwil finanziell wieder zu stabilisieren. Auch Mäsi Erni und Xiao Hua Erni Zhang (inzwischen seine Frau) konnten 2003 wieder für den KSV gewonnen werden. Mit Anton Stadelmann als Abteilungsleiter und Mäsi Erni als Trainer gelang 2005 der zweite Aufstieg in die NLA.

2008 fusionierte der KSV Wattwil mit Voleka Ebnat-Kappel und heisst seither Volley Toggenburg. Nach dem Rücktritt von Anton Stadelmann als Abteilungsleiter war es schwierig einen Nachfolger zu finden. Für einige Zeit übernahm Peter Langenegger, dann René Brogli, interimistisch Maja Pagelli mit René Langenegger und schliesslich Maja Hedinger mit Mäsi Erni die Führung des Vereins. Die knappen personellen und finanziellen Ressourcen waren immer wieder ein Thema. 2010 stieg der Verein in die NLB ab, schaffte aber 2011 den sofortigen Wiederaufstieg. 2014 musste sich der Verein aus finanziellen Gründen gar freiwillig in die NLB zurückziehen. In einem blieb sich der KSV aber treu: Die Juniorinnenausbildung stand stets an erster Stelle und Schweizer Spielerinnen wurden konsequent gefördert. 2019 schaffte Volley Toggenburg den vierten Aufstieg in die NLA.